Otlas-rückwärts - Folge5

Ein Briefumschlag, der uns auf den Schreibtisch gelegt wurde, gab neue Hoffnung. Sollte sich etwas ergeben, wenn schon nicht die Täter, dann vielleicht etwas, was wir übersehen hatten? Ja, natürlich, das wird es sein.

"Mensch, Kollege, wie konnten wir nur. Okay, wir hatten ein wahres Labyrinth zu durchschreiten, aber auch dieses Puzzle werden wir zusammensetzen."

"Welches?" fragte mein Mitarbeiter nur. So war er und er hatte recht. Ich ging los, kaufte ein fünhundertteiliges Puzzle und drei Tage später setzten wir das letzte fehlende Teil ein. Es zeigte eine wunderschöne Berglandschaft, aber auch, dass wir wir unsere Täter so nicht fangen werden.

Der Brief. Schon wieder hatten wir es versäumt, am Beginn anzufangen und waren stattdessen am Anfang gestartet. Hastig rissen wir den Brief auf. Fotos, genauer gesagt, zwei Fotos, glitten uns entgegen. Jetzt sahen wir, was für jedermann erkennbar war. Ein Bild zeigte meinen Kollegen im Hausflur, die zweite Aufnahme mich, wie ich lässig an meiner Haustür lehnte. Wieso schickte man uns diese Fotos jetzt? Wer hatte ein Interesse daran? Was auch immer diese Fotos beweisen, sie zeigten auf jeden Fall zwei Leute, die etwas mit diesem Fall zu tun haben. Das Misstrauen war gesät. Wir lasen den Absender, auf dem nur noch schwach "Labor" zu lesen war. Wollten mafiöse Verbindungen meinem Kollegen in die Hände spielen?

"Wir lassen keinen Keil zwischen uns treiben." Mein Mitarbeiter wollte wieder Vertrauen aufbauen.

"Nein, natürlich nicht," sagte ich, war aber auf der Hut.

"Ich weiß nicht, welches Spiel du treibst," zischte mein Kollege mich an. Ich nahm meinen Turm, sprang über seine letzten beiden Steine und hatte gewonnen.

"Ich möchte nur in Ruhe aufklären," sagte ich. "Das Spiel heißt übrigens Dame. Lass uns zum Essen gehen."

Noch voller Argwohn mir gegenüber, wieso ich mit diesem genialen Schachzug ein Damespiel gewinnen konnte, kam er mit.

Wir setzten uns in die Kantine, aßen köstliche Dinge und lasen Zeitung. Unser örtliches Anzeigenblatt hatte unsere Beschreibungen gebracht. Nicht nur, dass man das Essen als Bestechnungs- und Ablenkungsmanöver deuten konnte, nein, auch die Zeitungen schienen mehr zu wissen, als wir. Sofort verhafteten wir die Frau des Kantinenpächters, denn wenn schon ihre Beschreibung in der Zeitung erscheint, musste wohl am Verdacht etwas dran sein. Hart zogen wir sie in unser Büro, dort musste sie schon einmal zur Probe sitzen. Was hatte diese Frau nicht alles mit ihrem Opfer gemacht und so, wie sie aussah, wahrscheinlich mehr, als wir je heraufinden würden.

Wie alle intelligenten Verbrecher hatte sie mit der doppelten Logik gearbeitet, die besagt, dass die Aufklärer vermuten, dass Täter flüchten und daher ständig Kolumbien, Sri Lanka und den Sudan durchkämmen, Madagaskar und den Tibet abbürsten und Italien und Grönland gründlich wischen. Also blieb sie in häuslicher Umgebung, verrät sich allerdings doch letztendlich durch allzu leckere Kocherei. Und als Frau, die alles verloren hat, sagt sie auch gleich die Wahrheit.

"Wie behandeln Sie mich eigentlich. Das ist wohl die Höhe. Dumm wie Sie sind, beschreiben Sie mich einfach, und ich? Ich werd´jetzt noch häufiger belästigt als sonst, wo ich doch genug zu tun habe. Wie Sie wissen, ist es Mittagszeit und die Kantine ist voll,"

"Gut, gut,"sagte mein Kollege. "Das sind alles Argumente, die nicht von der Hand zu weisen sind. Sie können einstweilen wieder gehen. Aber halten Sie sich zu unserer Verfügung. Wir wollen morgen schließlich auch noch etwas essen."

Ich hätte es ja wissen müssen. Wir hatten gar kein Kantinenessen gehabt, sondern hatten auf unseren Butterbroten herumgekaut. Es war zum Verzweifeln. Die Tatverdächtigen kamen und gingen, nur die Aufklärer blieben. Wir berieten, ob es umgekehrt nicht einfacher sein würde. Wir kamen aber keinen Schritt weiter, weil wir zu diesem Zeitpunkt auf unseren Stühlen saßen.

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